Jeder Chinese erinnert sich von klein auf daran, dass Familie und Freunde ihn bei Unwohlsein oder Krankheit immer wieder ermahnten: „Trink mehr heisses Wasser!“ (duō hē rè shuǐ) Wenn du neu in China bist, probier diesen Satz doch mal gegenüber deinen chinesischen Freunden aus. Du wirst feststellen, dass du damit wie durch Zauberhand einen geheimen Code in ihren Herzen freischaltest, der euch sofort näher zusammenbringt! Vielleicht loben sie dich sogar: „Wow, das hast du sogar gelernt!“ Diese chinesische Art, seine Fürsorge auszudrücken, ist zu einem gemeinsamen Verständnis unter den Menschen geworden.Heisses Wasser zu trinken ist nicht nur eine nette Geste, sondern eine Praxis, die sich über Jahrtausende durch die Geschichte und Kultur bewährt hat. Wie man so schön sagt: „Die besten Ideen sind oft die einfachsten.“
Archäologen haben in Gräbern aus der Bronzezeit vor 3'000 Jahren Wasserrückstände gefunden. König Wu Ding aus der Shang-Dynastie liess Schamanen wiederholt Bergquellwasser in Bronzekesseln kochen, um das „Kältesyndrom“ seiner geliebten Gemahlin zu behandeln. Dies könnte die früheste Form der „Heisswassertherapie“ in China gewesen sein. In den „Riten von Zhou“ steht, dass es am Hof der Zhou-Dynastie Beamte gab, die für die Warmwasserversorgung zuständig waren und einen Status hatten, der mit dem heutigen Gesundheitsminister vergleichbar war.
1934 standen junge Studenten in Zhongshan-Anzügen auf den Strassen von Nanchang mit Transparenten für die „Bewegung für ein neues Leben“ und erklärten von Tür zu Tür den Slogan „Trink abgekochtes Wasser, um Krankheiten vorzubeugen“. Diese Hygienekampagne, die in Schulbüchern aus der Zeit der Republik China abgedruckt war, entwickelte sich während der Patriotischen Gesundheitskampagne 1952 zu einer landesweiten Bewegung. Damals gab es an jedem Arbeitsplatz einen Heizraum mit roten Thermoskannen, auf denen „Vorsicht: Heiss!“ stand.
Die heutigen intelligenten Wasserspender in Hochgeschwindigkeitszügen sind die technologische Weiterentwicklung dieser kollektiven Erinnerung.In der chinesischen Kultur ist das Trinken von heissem Wasser mehr als nur eine tägliche Gewohnheit; es gilt als Allheilmittel für verschiedene Situationen. Den Tag mit warmem Wasser auf nüchternen Magen zu beginnen, kann den Körper wecken, die Organfunktionen aktivieren, die Magen-Darm-Bewegung fördern, Stoffwechselabfälle beseitigen und die Haut strahlen lassen. Bei einer Erkältung raten Eltern oder Freunde oft: „Trink mehr heisses Wasser“, da es Halsschmerzen lindert, das Schwitzen anregt, um die Kälte auszutreiben, und die Genesung beschleunigt. Heißes Wasser kann auch die Magenmuskulatur entspannen und Blähungen oder
Verdauungsbeschwerden lindern. In der Übergangszeit, wenn der Körper anfällig für Müdigkeit oder eine verminderte Immunabwehr ist, kann das Trinken von heissem Wasser die körperliche Fitness verbessern und Krankheiten vorbeugen. Bei Frauen kann der Verzehr von mehr heissem Wasser während der Menstruation Bauchbeschwerden lindern, die Durchblutung verbessern und Menstruationsbeschwerden reduzieren.Interessanterweise wird in der Schweiz Käsefondue wegen seiner reichhaltigen und schwer verdaulichen Beschaffenheit oft mit einer Tasse heissem Tee getrunken. Der heisse Tee fördert die Verdauung und verhindert, dass das Essen zu lange im Magen bleibt. Das entspricht der chinesischen Weisheit, heisses Wasser zu trinken, um die Verdauung anzuregen.
In der chinesischen Medizin-Klinik Hu Qing Yu Tang in Hangzhou fühlt der 78-jährige Dr. Li den Puls eines deutschen Austauschstudenten: „Ihr Westler konzentriert euch auf die Zufuhr von Vitaminen, wir Ostler glauben an das Gleichgewicht von Yin und Yang.“ Er zeigt auf den Trinkratgeber der Klinik für die 24 Sonnenzeiten: Zu Beginn des Frühlings soll man Jasmintee trinken, um die Yang-Energie zu stärken, während der grössten Hitze Chrysanthementee, um das Herz zu reinigen und Hitze zu reduzieren, und zur Wintersonnenwende gekochte rote Datteln und Longan-Tee, um die Yang-Energie zu wärmen und zu nähren. Diese Weisheit, heisses Wasser mit den Rhythmen der Natur zu verbinden, verblüfft Schweizer Ernährungswissenschaftler: „Die Chinesen haben die saisonale Philosophie der agrarischen Zivilisation durch das Trinken von Wasser in ihre DNA integriert.“ Die traditionelle chinesische Medizin betont die „Gesundheitserhaltung im Alltag“, und das Trinken von heissem Wasser verkörpert dieses Konzept: Gesundheit durch kleine, konsequente Massnahmen zu erhalten, anstatt sich auf externe medizinische Eingriffe zu verlassen.Die chinesische Gesundheitsphilosophie geht über das Trinken von heissem Wasser hinaus und betont, wie wichtig es ist, im Einklang mit der Natur zu leben und ein ausgeglichenes Leben zu führen. Dazu gehören nahrhafte Suppen, die auf die verschiedenen Jahreszeiten abgestimmt sind, Fussbäder mit hessem Wasser, um besser schlafen zu können und den Körper zu entspannen, sowie Kräuterwickel, um Muskelkater zu lindern oder die Durchblutung zu verbessern.
Mehr heisses Wasser zu trinken, klingt zwar einfach, steckt aber voller Gesundheitsphilosophie und Lebensweisheit und zeigt, wie wichtig körperliche Gesundheit und tägliche Pflege in der chinesischen Kultur sind. Von der Geschichte über die traditionelle chinesische Medizin bis hin zu praktischen Anwendungen und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen – heisses Wasser zu trinken ist ein wichtiger Teil der chinesischen Gesundheitsphilosophie.